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  • AutorenbildSamarraLeFay

Zu zweit allein

Aktualisiert: 24. Juli 2022


Jo sass auf seiner Lieblingsbank im Garten des Altenheims. In Gedanken nannte er es nach wie vor das Altenheim, obwohl es inzwischen schon seit ein paar Jahren sein zu Hause war.

Schon kurz nach seinem Einzug hatte er diese Bank entdeckt. Sie stand unter einer mächtigen Linde, deren Blüten im Frühling herrlich dufteten und viele bunte Insekten anlockten. Bei leichten Regenschauern schützte die Linde vor den Regentropfen und im Sommer vor der heissen Sonne. Die Bank war vom Altenheim selber nicht direkt zu sehen, da sie gut versteckt hinter einer lichten Hecke stand. Trotzdem hatte er einen guten Überblick auf die Parkanlage des Altenheims, sodass er früh genug sah, wenn jemand auf dem Weg zur Bank war. Notfalls konnte er sich frühzeitig zurückziehen, ohne in ein langweiliges Gespräch verwickelt zu werden. Es kam selten jemand zu dieser Bank ausser Jo selber, da nur ein kleiner versteckter Pfad herführte. Hier konnte Jo seine Zeit in Ruhe geniessen und Vögel, Eichhörnchen oder Wolken beobachten.


An diesem Tag sass er auf der Bank und beobachtete kleine Wolken am Himmel. Es war ein sonniger warmer Tag eines Altweibersommers. Warm genug um ohne Jacke im Schatten zu sitzen, aber nicht zu heiss. Eine sanfte frische Brise lies die Blätter rascheln. Es war ein guter Tag. Erholsam und friedlich. Jo mochte diese Tage, an denen er seine Seele baumeln lassen und das was ist, geniessen konnte. Man würde meinen, jetzt, da er im Altenheim war, könne er das jeden Tag. Aber immer wieder zwangen ihn die Pflegerinnen zu Aktivitäten, an denen er teilnehmen musste. Dann gab es Tage, an denen er sein Alter spürte, wie er es für sich nannte. Es klang netter als das, was die Ärzte sagten. An diesen Tagen war nicht daran zu denken, nach draussen auf die Bank zu gehen. Es war über eine Woche her, seit er das letzte Mal hier war. Daher genoss er diesen Moment ganz besonders. Alleine mit sich die Ruhe geniessen. „Darf ich mich setzen?“

Jo sah erstaunt auf. Vor ihm stand ein alter gebückter Mann und hielt sich an einem Stock fest. „Wie er es wohl geschafft hat dem Trampelpfad entlang zu gehen?“, fragte sich Jo und musterte ihn abschätzig. Der Mann hatte graue krause Haare. Nicht ohne Neid bemerkte Jo, dass sein Gegenüber keine Spuren von kahlen Stellen aufwies. Seine dunklen Augen waren gross und man sah, dass er in seinem Leben viel gelacht haben musste. Er trug ein blaues Shirt und schwarze Jeans. Jo hätte am liebsten gesagt, er solle sich eine eigene Bank suchen. Er wollte seine Ruhe. Er wollte diesen Tag geniessen. Weiss der Geier, wann er das nächste Mal wieder hier sein konnte. Es stand ihm zu, ein paar Stunden alleine auf dieser Bank zu sitzen und einfach den Tag zu geniessen. Aber wenn dieser Mann auf dem Rückweg stürzen würde, weil Jo ihn weggeschickt hatte, würden die Pflegerinnen wieder mit ihm schimpfen. Und er mochte es nicht, wenn sie wütend auf ihn waren. Wenn sie nicht wütend auf ihn waren, bekam er öfters mal einen zusätzlichen Nachtisch. Resigniert nickte er stumm.

Erleichtert seufzend setzte sich der Mann rechts neben Jo auf die Bank. Er legte seinen Stock an die linke Seite und hakte den Griff in die Bank ein, damit der Stock nicht auf den Boden rutschen konnte.

Jo gab sein Bestes, diesen Mann so gut wie möglich zu ignorieren. Sobald es die Höflichkeit zuliess, würde er sich auf den Rückweg machen und eine Pflegerin darüber informieren, dass dieser Mann hier sass. Wenn sie ihn abgeholt hätten, würde er zurückkommen.

„Du hast hier ein schönes Plätzchen gefunden. Ich heisse Selin. Wie heisst du?“, während Selin sprach, schaute er in die Ferne.

Jo dachte leicht genervt: „Jetzt versucht er mich in ein Gespräch zu verwickeln. Was für ein unhöflicher Mensch. Es sollte offensichtlich sein, dass man hierherkommt, um seine Ruhe zu haben.“ Jo schwieg sich beharrlich aus, bis ihn Selin mit hochgezogenen Augenbrauen direkt ansah. Innerlich kapitulierend sagte Jo: „Jo.“

„Freut mich, Jo“, Selin schaute wieder in die Ferne und sprach weiter, „Ich kann mir gut vorstellen, dass du eigentlich lieber alleine hier sein würdest.“

Jo brummte zustimmend und dachte: "Ja genau. Das würde ich."

„Aber die Sache ist die,“ Selin atmete kurz aber tief aus: „Ich bin erst gestern hier angekommen, das Zimmer ist gemütlich, das Essen ist gut und die Leute sind nett. Aber halt nur nett. Sie sind so langweilig und dass schon nach ein paar Stunden.“

Bei Selins entsetztem Tonfall musste Jo lächeln.

„Es scheint hier keine anderen Gesprächsthemen zu geben ausser dem Wetter, die Nachrichten oder die eigenen Verwandten. Wenn ich heute noch einmal jemanden jammern höre, dass sie nie Besuch bekommen, buche ich mir ein Hotel.“

„Und wie kommst du dorthin?“, fragte Jo.

"Wohin?"

"In das Hotel."

„Mit dem Taxi.“

„Wie bekommst du ein Taxi?“

„Mit dem Handy“, sagte Selin mit einem selbstverständlichen Tonfall und nahm sein Smartphone aus der Tasche. „Hast du kein Handy?“

Jo schüttelte den Kopf: „Nein. Wozu auch? Ich habe im Zimmer das Telefon, welches zur Grundausstattung gehört. Warum soll ich mir dann noch ein Handy kaufen?“ Jo verschwieg Selin, dass er vor einiger Zeit eines gehabt hatte, aber damit nicht klargekommen war.

„Dann könntest du vom Telefon in deinem Zimmer ein Taxi rufen“, stellt Selin fest.

„Kann ich nicht!“, sagte Jo bestimmt und dachte leicht ärgerlich: „Was für ein Besserwisser. Noch einen solchen Spruch und ich stehe auf und gehe. Höflichkeit hin. Höflichkeit her.“ versprach sich Jo.

„Und warum nicht?“, erkundigte sich Selin, scheinbar aufrichtig interessiert.

„Weil ich die Nummer nicht habe“, defensiv verschränkte Jo seine Arme vor der Brust.

Selin lies das Thema auf sich beruhen und wies Jo nicht darauf hin, dass man die Nummer im Telefonbuch oder in seinem Fall mit dem Handy herausfinden konnte: „Wie du meinst.“ Er atmete hörbar tief ein und aus, dann sprach er weiter: „Wie lange bist du schon hier?“

„Ein paar Jahre.“ Jo zuckte mit den Achseln.

„Gefällt es dir hier?“

„Ist das relevant?“

„Naja, da wir jetzt beide hier leben, denke ich schon. Du nicht?“

Wieder zuckte Jo unbestimmt mit den Achseln: „Es ist gut genug, dass ich mir nicht zu viele Gedanken darüber machen muss, ob es mir hier gefällt, da es mir hier nicht nicht gefällt.“

„Ha! Das macht erstaunlich viel Sinn“, ein breites Schmunzeln zeichnete sich auf Selins Lippen ab.

„Ich bin hier aufgewachsen. Nicht im Altenheim. Aber in dieser Stadt. Ich kenne nicht viel Anderes als diese Stadt, weisst du? Es war absehbar, dass ich irgendwann hier ende, falls ich alt genug werde, und das bin ich nun offensichtlich.“

Selin strahlte nun übers ganze Gesicht. „Genau wie ich! Wie alt bist du? Wo bist du zur Schule? Die Stadt ist nicht riesig. Wenn wir beide unser gesamtes Leben hier verbracht haben, müssten wir uns doch schon das eine oder andere Mal begegnet sein.“

Jo wirkte ein wenig skeptisch: „Riesig nicht, aber auch nicht so klein, dass jeder jeden kennt.“

„Wie alt bist du?“, fragte Selin geduldig.

„83.“

„Ach, nur drei Jahre älter als ich. Ich dachte, du wärst…", Selin unterbrach bedeutungsreich den Satz und grinste Jo breit an. „Ich mache nur Spass. Hör auf, in deinen nichtexistierenden Bart zu murren.“

Obwohl sich Jo alle Mühe gab, konnte er nicht verhindern, dass sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht abzeichnete.

„Das ist ein Lächeln!“, rief Selin erfreut aus. „Ich hätte schwören können, dass du nie lächelst.“

„Wirke ich wie ein Griesgram?“, fragte Jo ernst. Obwohl Jo gerne für sich war, dachte er von sich selber, dass er vorwiegend freundlich und nett zu anderen Menschen war.

„Nun… Ja… also…“, Selin zögerte, „Du wirkst wie jemand, der zufrieden ist, ohne zu lächeln.“

„Das ist gar nicht so falsch“, dachte Jo für sich. „Eigentlich ganz schön, wieder mal mit jemanden zu reden, der noch ein wenig Leben versprüht.“

Selin lächelte zufrieden. „Wo bist du zur Schule?“

„In dem Schulhaus, beim Stadtweiher.“

„So ein Zufall, ich auch! Also wir sind keine drei Jahren auseinander und waren in die gleiche Schule. Aber ich muss gestehen, ich kann mich nicht wirklich an dich erinnern,“ Selin wirkte sichtlich bedrückt, „Wo hast du gearbeitet?“

„Ich habe eine kleine Bäckerei in der Altstadt geführt“, bei dieser Erinnerung strahlten Jos Augen. „Das beste Steinofenbrot in der ganzen Stadt.“

Selin nickte zustimmend, „Davon habe ich gehört. Scheinbar haben aber deine Nachfolger die Bäckerei heruntergewirtschaftet. Seit zwei, drei Jahren läuft es aber wieder ganz gut.“

Jo nickte zustimmend. Davon hatte er ebenfalls gehört.

„Ich war aber nie selber in der Bäckerei“, gestand Selin aufrichtig.

Jo zuckte mit seinen Achseln: „Da hast du etwas verpasst, dass sich jetzt nicht mehr nachholen lässt.“

„Du könntest hier ein Brot backen“, Selin zwinkerte ihm zu.

„Mal schauen“, Jo wollte Selin nicht sagen, dass er, seit er in der Küche mal ein kleines Feuer verursacht hatte, nicht mehr dort hineindurfte. Offiziell hiess es, aus hygienischen Gründen. Aber er wusste was der wahre Grund war. Da ihm das Thema unangenehm war, fragte er Selin: „Bist oder warst du verheiratet?“

Selin schüttelte traurig den Kopf: „Nein. Du?“

Jo lächelte in sich hinein: „Ja.“ Jos Haltung zeigte eine seltene gesehene Wärme, aber in seinen Augen konnte man eine tiefe Traurigkeit lesen.

Selin war klug genug, nicht weiter nachzufragen, auch wenn Jo das Thema angesprochen hatte, schien hier noch viel Schmerz vorhanden zu sein. Wenn seine Frau noch leben würde, wäre Jo nicht alleine auf dieser Bank.

Jo schwelgte minutenlang in den Erinnerungen an seine Frau. Sie war die aussergewöhnlichste Frau die er jemals kennengelernt hatte.

Plötzlich landete ein kleiner Vogel neben Selin auf der Bank. Selin sprach mit sanfter brummender Stimme: „Hallo Kleiner. Leistest du uns Gesellschaft?“

Der Vogel pfiff drei schrille Töne, plusterte sein braunes Gefieder auf und flog wieder davon.

„Mutiger kleiner Racker“, sagte Selin, dann nahm er den Gesprächsfaden wieder auf: „Wer waren deine Freunde auf der Schule?“

„Sag du zuerst“, forderte Jo Selin auf. Er glaubte nicht, dass ihm die Namen etwas sagen würde. Aber er fand langsam Gefallen an dem Geplänkel.

„Nathan“, sagte Selin lächelnd. „Ein toller Typ, sagt dir der Name was?“

Jo schüttelte den Kopf.

„Wir streiften oft durch die Wälder. Wir hatten viel Spass zusammen. Aber irgendwann, ich weiss nicht genau, was geschah oder warum, aber er wandte sich von mir ab. Er sprach nie wieder ein Wort mit mir.“

„Tut mir leid, das zu hören“, sagte Jo mit aufrichtigem Mitgefühl.

„Ist schon in Ordnung. Das ist schon lange Vergangenheit“, Selin lächelte, „Jetzt du. Wer war dein Freund? Oder Freunde?“

Jo musste einen kurzen Moment überlegen: „Artie und Gabriel.“ Jo machte eine kurze Pause, „Ja das waren ihre Namen. Ich habe lange nichts mehr von ihnen gehört. Ob sie noch leben? Kennst du sie?“

Selin runzelte die Stirn. „Ich glaube, langsam klingelt da was in meinem Hinterkopf. Aber wart ihr nicht immer zu viert?“

Jo lief es eiskalt den Rücken runter, als er an Niles dachte. „Da war noch Niles“, sagte Jo mit stockender Stimme.

„Niles!“, bestätigte Selin, „Ist das nicht der Junge, der ertrank?“

Jo nickte stumm. Er wollte nicht daran denken. Er wollte sich nicht erinnern. An die Schreie, an das Wasser, an die Hilflosigkeit.

Selin schien von Jos Stimmungswechsel nichts mitzubekommen und hakte nach: „Wart ihr dabei, als er ertrank?“

Wieder nickte Jo stumm. Seine Gedanken rasten: „Bitte sei still. Schweige einfach! Ich will nicht darüber reden, ich will nicht darüber nachdenken. Ich will mich nicht erinnern. Das Privileg des Alterns ist das Vergessen. Lass die Geschichte ruhen." Aber er sprach kein Wort.

Selin liess nicht davon ab. War sein Gesicht zu Beginn freundlich und vertrauenserweckend gewesen, so wirkte es jetzt kalt und ernst: „Ihr wart also doch dabei! Hattet ihr nicht etwas Anderes erzählt?“

Jo schwieg weiterhin. Am liebsten wäre er aufgestanden und davongegangen. Aber seine Beine waren schwer wie Blei.

„Hattet ihr doch?“, bohrte Selin nach.

„Was geht es dich an?“, brauste Jo auf. „Es ist vergangen.“

„Wenn es vergangen ist, warum löst es solche Emotionen in dir aus?“, fragte Selin kühl.

Jo fühlte sich wie in einem Würgegriff, aus dem es kein Entkommen gab. „Es war ein unnötiger tragischer Unfall und sein Tod war für alle sehr belastend.“

Selin hielt ihn mit seinem Blick gefangen: „Ein Unfall? Sicher?“

„Was geht es dich an!“, schnauzte Jo Selin an. Verzweifelt versuchte er die Erinnerungen zu unterdrücken, doch es war zu spät. Er spürte wieder Niles dicken kratzigen Wollpullover an seinen Händen.

Doch Selin liess nicht locker und forderte: „Sei ehrlich! Sag einmal in deinem Leben die Wahrheit darüber, was damals war!“

Jo schloss die Augen und fragte heiser: „Was weisst du?“

„Ich weiss, dass es kein Unfall war.“

„Es war ein Streich“, sagte Jo tonlos.

Selin schwieg und starrte Jo weiter an.

Jo sprach mit brüchiger Stimme weiter: „Wir dachten es sei lustig, wenn er mit nassen Kleidern heimlaufen musste. Wir waren Jungs und spielten uns oft solche Streiche. Nicht ganz harmlos, aber nicht so, dass wirklich jemand oder etwas zu Schaden kam.“

„Niles kam zu Schaden“, warf Selin ein und schürte damit Jos Schuldgefühle.

„Ja“, Jo nickte zustimmend.

„Sprich weiter!“, forderte Selin.

Seine Augen brannten sich in Jos Seele ein. Jos ganzer Widerstand brach unter diesem harten Blick.„Ich war es!“, gestand Jo und suchte Selins Blick. Dabei dachte er: „Wenn ich weiterrede, wird er es allen erzählen. Ich werde als Mörder dastehen. Ich wollte es nicht. Es war ein Unfall. Wenn ich diesen dummen sinnlosen Streich nur rückgängig machen könnte.“


Selin wartete ab, bis Jo weitersprach. „Noch heute spüre ich seinen kratzigen Pullover auf meiner Hand. Niles sagte immer über diesen Pullover, aussen kratzig innen weich“, bei dieser Erinnerung lächelte Jo ein bitteres Lächeln. „Ich habe ihn den Felsen heruntergestossen. In den See. Unterhalb des Felsen war das Wasser ein paar Meter tief. Ich dachte, so könnte er sich nichts brechen oder so.“

„Hatte sich Niles beim Sturz den Kopf geschlagen, oder konnte er nicht schwimmen?“

„Doch natürlich konnte er schwimmen und den Kopf hatte er sich nicht gestossen. Aber es gab scheinbar eine Strömung, die ihn unter Wasser zog. Zusätzlich sog sich sein Wollpullover mit Wasser voll, was die Arme von Niles nach unten zog.“

Jos Mund war trocken. Selin nickte ihm auffordernd zu.

„Er konnte sich einmal hochstrampeln. Ich sehe noch heute seinen verzweifelten Blick wie er versuchte nach uns zu greifen. Wir hörten, wie er laut nach Luft zu schnappen versuchte, ehe er gurgelnd wieder unter Wasser gezogen wurde. Das war das letzte Mal, dass ich Niles gesehen habe.“ Jo macht eine lange Pause, ehe er weitersprach: „Wir zögerten einen kurzen Moment, unsicher, ob er uns nicht einen Streich zurück spielte. Aber als er dann nicht wieder auftauchte, bekamen wir Panik. Ich höre noch heute uns wild durcheinander schreien. Wir wussten nicht, was wir machen sollten. Gabriel zog seine Kleider aus und sprang ins Wasser. Ich dachte, er sei verrückt. Was wenn ihn die Strömung ebenfalls runterzieht? Er erzählte, dass er Niles fand. Aber dieser war bereits bewusstlos. Gabriel konnte ihn nicht hinaufziehen.“

„Warum hattet ihr der Polizei nicht die Wahrheit gesagt?“ Jo spürte Selins tröstende Hand auf seinem Bein.

„Wir hatten Angst. Wir fühlten uns schuldig. Wir sind schuldig. Wir hatten unseren Freund getötet.“ Jo dachte an Niles Lächeln. Niles war der Beste von ihnen. Der, der immer ein Lächeln im Gesicht hatte, und einen flotten Spruch. Direkt und unverblümt konnte er jeden in ein Gespräch verwickeln.

„Die Polizei dachte, er sei auf den Felsen ausgerutscht und ins Wasser gefallen.“

Selin schwieg. Jo lehnte sich zurück. Er löste seine Hände, die sich beim Erzählen verkrampft hatten. Mit geschlossenen Augen lauschte er dem Wind. Jetzt wo er seine Schuld laut ausgesprochen hatte, fühlte er sich leichter und befreit.


„Jonathan?“, eine sanfte Frauenstimme holte ihn zurück. „Es ist Zeit fürs Abendessen. Komm, ich bring dich zurück.“ Jo nahm dankbar die Hand der Pflegerin und stand auf.

„Holt nachher auch jemand Selin?“. fragte er die Pflegerin.

Die Frau tätschelte seine Hand und ohne zur Bank zurückzuschauen versicherte sie Jo: „Natürlich holt auch später jemand deinen Freund hier ab. Wir lassen ihn doch nicht die ganze Nacht hier draussen.“

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