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  • AutorenbildSamarraLeFay

Rognis Alptraum

„Mama! Maaaaammmaaaa!“

Helgra eilte in das Schlafzimmer ihres schreienden Sohnes. „Was ist denn, mein Knubbel?“ Sie setzte sich auf die Bettkante und zwickte ihm zärtlich in seine Stupsnase. „Hattest du wieder einen Alptraum?“

Rognis nickte und zog seine Bettdecke bis unter die Nasenspitze.

„Ach, mein Kleiner.“ Liebevoll strich Helgra ihrem Sohn durch die kratzigen Locken. „Komm, erzähl mir was du geträumt hast.“

Rognis zog den Rotz hoch. „Ich ... ich war wieder im Unterricht.“

Helgra wußte, was als nächstes kommen würde. Sie kannte den wiederkehrenden Alptraum zu genüge. Die Erfahrung zeigte, dass es Rognis half, darüber zu sprechen. Sie ließ ihm die Zeit, die er benötigte.

„Auch die anderen waren da. Rori, Nili, Dubakt und Sulk.“

Rognis Schulkameraden. Zu Helgras Leidwesen zogen sie ihren Sohn öfters auf und spielten ihm hinterhältige Streiche.

„Sie lachten mich aus.“

„Das ist nicht nett. Weswegen denn?“

„Magnus Finlibar wollte, dass ich diesen Zauber vorführe.“ Rognis schniefte und schmiegte sich eng an seine Mutter.

Ihr Sohn wirkte so zerbrechlich. Helgras Herz zog sich bei diesem Anblick zusammen. Sie wünschte, sie könnte seine Bürde für ihn tragen. Das magische Talent ihres Sohnes war außergewöhnlich. Der Magus meinte, er könnte einer der ganz Großen werden. Wenn nur nicht seine Angst ihn blockieren würde.

„Ich musste nach vorne gehen und alle starrten mich an.“ Rognis schaute eindringlich zu seiner Mutter hinauf. „Ich versuchte, den Zauber zu wirken. Ich tastete nach der Magie und spürte sie. Sie brannte sich durch meine Arme und Beine. Aber ich schaffte es nicht, sie zu fokussieren! Der Stein blieb ein Stein.“ Rognis trank einen Schluck Wasser aus dem Glas auf seinem Nachttisch. „Der Magnus wurde wütend. Er schrie mich an. Ich versuchte es wirklich, Mama! Aber ich konnte den Stein einfach nicht in eine Kröte verwandeln.“

Rognis schluckte. „Und dann hat Finlibar Rori in eine Kröte verwandelt und mir befohlen den Zauber nochmals zu versuchen..“

Helgra horchte auf. Das war neu!

„Der Magnus schrie immer lauter! Tu es! Tu es! Und ich versuchte es. Und nach jedem missglückten Versuch verwandelte er einen der anderen in eine Kröte, bis es ganz still war.“ Rognis flüsterte: „Ich dachte, das Gelächter wäre schlimm gewesen. Aber Mama, die Stille ... die Stille war viel schlimmer.“

Helgra drückte sich eine Träne weg und zog ihren Sohn eng an sich.

„Aber ich konnte es nicht. Dann wurde Magnus Finlibar still. Er starrte mich an und ich sah, wie er den Zauber wirkte. Wie er auf mich zu geschossen kam. Der Blitz durchfuhr mich und ich schrie nach dir..“

Sie wartete, ob ihr Sohn noch etwas hinzufügen mochte. Doch er schluckte seine Tränen runter und klammerte sich fest an sie.

„Du hattest heute einen besonders schlimmen Traum.“

Rognis nickte bestätigend.

„Du weißt, Magnus Finlibar würde so etwas nie machen.“

Ihr Sohn schüttelte den Kopf. „Nili hat erzählt, dass er einmal einem Schüler den Mund weggezaubert hatte.“

„Das ist Unfug. Genau so ein Unfug, wie die Geschichte, dass dein Vater einen Riesen mit bloßen Händen erschlagen hat.“

„Hat er nicht?“ Rognis sah sie enttäuscht an.

„Nein, habe ich nicht. Ich hatte eine Axt dabei“, brummte Jokul im Türrahmen.

„Wie lange stehst du schon da?“ Helgra lächelte. Sie wusste, Rognis freute sich immer besonders, wenn sein Vater ihn ins Bett brachte.

„Das Bett war kalt.“ Jokul lächelte verlegen. „Hattest du wieder einen Alptraum?“

Rognis nickte.

„Weißt du, echte Zwerge ...“ Jokul brach unter dem finsteren Blick seiner Frau den Satz ab. Er räusperte sich und beendete seinen Satz: „ ... haben alle Alpträume.“

„Gut gerettet“ raunte Helgra ihm zu.

„Du auch?“, fragte Rognis seinen Vater.

„Natürlich, was glaubst du denn?“

„Und was machst du, wenn du einen Alptraum hattest?“

„Das gleiche wie du, ich halte deine Mutter und bin dankbar, dass ich euch beide habe.“

Die Antwort zauberte Mutter und Sohn ein Lächeln ins Gesicht.

Rognis witterte die Gunst der Stunde. „Papa, erzählst du mir die Geschichte, wie du den Riesen mit einer Axt erschlagen hast?“

„Ich ... Eigenlich wollte ich ...“

„Bittee!“, flehte Rognis.

„... schlafen“, seufzte Jokul ergeben.

Helgra rutschte zur Seite, um ihm Platz zu machen. Ächzend ließ sich ihr Mann neben ihr auf dem Bett nieder.

„Also, ich war alleine auf diesem Berg. Die anderen hatten schon längst das Weite gesucht.“ Jokul hustete und flüsterte seiner Frau zu: „Dafür gibt es morgen Abend deine berühmte Biersuppe.“

Rognis kuschelte sich unter seine Decke und lauschte seinem Vater.

„Auge um Auge stand ich dem Riesen gegenüber ...“





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