„Wer hat eigentlich den Goldbeutel?“, fragte Loren kurz vor dem Ausgang.
„Oh verdammt, den habe ich liegen gelassen. Na dann gibts wohl für keinen von uns Gold“, alberte Edvard.
„Sehr witzig.“ Loren schnaubte, aber auf ihr Gesicht stahl sich ein Lächeln.
„Ich verzichte auf meinen Anteil, wenn ich dafür das Buch behalten kann.“
„Das Buch ist wertlos“, antwortete Dimitri.
Edvard kniff ihm in die Seite. „Lass sie doch. Wenn sie es so will. Mehr für uns.“
Alle stimmten ihm stillschweigend zu.
„Da vorne ist der Ausgang.“ Dimitri seufzte erleichtert.
„Kannst du ihn sehen?“, fragte Loren.
„Nein, aber ich spüre ihn. Der Wald ruft.“
Edvard grinste. „Bin ich froh, bin ich kein Druide. Mich ruft die nächste Taverne und das Bier, welches ich mit meiner Laute erspiele.“
Ella befühlte erneut den Einband des Buches. Irrte sie sich oder hatte er sich verändert?
Loren lachte auf: „Nachdem wir den Magier erschlagen haben, der die ganze Stadt über Monate terrorisiert hat, sollten wir eigentlich lebenslänglich Freibier bekommen.“
Dimitri seufzte: „Du weißt doch, wie schnell Personen ihre Dankbarkeit vergessen. Zudem hat uns der Stadtrat eine Belohnung versprochen.“
Ellas Fingerspitzen kribbelten. Gerne würde sie das Buch sofort aufschlagen und noch einige Seiten lesen. „Wissen wir eigentlich, warum der Magier die Stadt heimgesucht hat?“
„Nein.“ Edvard zuckte mit den Schultern. „Ist das wichtig?“
„Habt ihr euch noch nie gewundert, warum einige Personen böse werden?“
„Tzzz“, schnalzte Loren. „Die Antwort ist ganz einfach, fehlende Charakterstärke.“
Der Gang weitete sich, es wurde heller und frischer Wind blies um die Abenteurer. Dimitri stürmte nach draußen. „Freier Himmel“, lachte er.
„Wir waren nur ein paar Stunden im Gewölbe.“ Loren schüttelte ungläubig den Kopf.
Dimitri befühlte die Blätter der Bäume. „Lange genug.“
Edvard schaute nach oben. „Die Nacht bricht bald an. Es war ein langer Tag. Wir sollten hier rasten.“
Die anderen nickten zustimmend und überließen es Dimitri, den besten Platz auszusuchen.
Routiniert widmete sich jeder seiner Aufgabe. Edvard bereitete das Abendessen vor, während Loren und Ella das Feuer mit Holz nährten. Dimitri suchte frische Kräuter und Beeren.
Nach dem Essen saßen alle zusammen am verglühenden Feuer und lauschten dem melodischem Summen von Edvard.
Ella nahm das Buch wieder zur Hand.
„Warum fasziniert dich das Buch so?“ Loren hatte sich einen Ast geschnappt und fing an, einen Pfeil zu schnitzen.
„Weil ich verstehen möchte, warum er so geworden ist?“
„Reine Zeitverschwendung.“
Ella zuckte mit den Schultern. „Es ist nicht deine Zeit, die ich verschwende.“
„Tzzz.“ Loren wandte sich kopfschüttelnd von Ella ab, legte sich hin und schloss die Augen. Dimitri tat es ihr nach.
Edvard schaute sie auffordernd an.
„Was ist?“, fragte Ella.
„Ich dachte, ich übernehme die erste Wache.“
„Ich bin noch hellwach. Du kannst dich hinlegen.“
Edvard kniff ihr in die Seite. „Du weißt, Wache halten heißt nicht, dass du lesen sollst.“
„Jaja, schon klar.“
Doch Edvard blieb am Feuer sitzen.
„Worauf wartest du?“
„Dass du das Buch zur Seite legst.“
Ella seufzte. „Leg dich jetzt hin.“ Ihre Finger fuhren zärtlich über den Einband. Wie weich dieser sich inzwischen anfühlte.
Edvard hob abwehrend die Hände. „Nur ein Narr würde mit einer genervten Frau diskutieren.“ Er stand auf und legte sich auf sein Lager.
Ella schaute in die Dunkelheit. Dimitri und Loren schnarchten um die Wette. Edvard seufzte. Ella konnte sehen, wie er sich die Ohren zuhielt. Sie hätte nicht mit ihm die Wache tauschen sollen, Edvard machte für gewöhnlich immer die erste oder die letzte, da er nur schwer den Schlaf fand.
Wieder einmal wunderte sie sich, warum sie überhaupt Wache hielten. Sie sind noch nie angegriffen worden, kaum einer würde es wagen.
Ihre Finger tasteten die Ecke ab. Sie seufzte, legte das Buch beiseite und stand auf. Sie würde eine Runde um den Schlafplatz patrouillieren. Vielleicht brachte sie dies auf andere Gedanken. Und wenn nicht, war Edvard bis dann eingeschlafen und sie konnte ...
Was war los mit ihr? Ihre Freunde vertrauten ihr. Sie schliefen ruhig, weil sie wussten, dass Ella aufpasste.
Comments